Ich habe beim Stöbern in meinen alten Unterlagen den nachstehenden Artikel gefunden, dem ist weiter nichts hinzuzufügen, außer dass sich nichts geändert hat, sondern es eher noch schlechter geworden ist.
Gespenster einer Großmacht
Zynismus und perverse Bündnisse ziehen sich seit Jahrzehnten durch die Außenpolitik der USA. Auch die Isis-Rebellen im Irak sind Lemuren der Amerikaner
Sie kämpfen gegen selbst geschaffene Kreaturen. Gegen die Lemuren ihrer gescheiterten Politik. Immer wieder, überall auf dem Globus. Seit dem Zweiten Weltkrieg. Aktuell im Nahen Osten, wo der Siegeszug der sunnitischen Isis-Rebellen den außenpolitischen Zynismus der USA illustriert.
Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Diese Maxime kurzsichtiger Interessenpolitik hat den Hegemon immer wieder in Sackgassen geführt, die Schwüre auf Demokratie und Humanität unglaubwürdig gemacht und Hass auf Amerika gesät. Denn der Feind des Feindes wurde zum eigenen Feind. Und nicht selten richteten sich dann amerikanische Waffen gegen amerikanische Soldaten.
Der Nahe Osten ist ein Lehrbeispiel für solche Unbelehrbarkeit. Eine ganze Weltregion wird derzeit amerikanisch umgepolt. Als der irakische Diktator Saddam Hussein mit der Lüge von Massenvernichtungswaffen gestürzt war, weil er nicht in die „neue Weltordnung” amerikanischer Neokonservativer passte, die den Nahen Osten nach israelisch-amerikanischen Interessen großflächig planieren wollten, wurde in Bagdad der schiitische Autokrat Nuri al-Maliki installiert.
Der stört nun. Denn gegen ihn hat sich das Isis-Bündnis ehemaliger Saddam-Offiziere mit islamistischen Kämpfern der unterdrückten Sunniten erhoben – Gespenster Amerikas. Das stellt das FreundFeind-Schema auf den Kopf. Gegen amerikanische Interessen stehen nun amerikanische Verbündete: die Türkei, die Isis unterstützt, weil die Gruppe auch gegen den Erzfeind Assad im benachbarten Syrien kämpft; Saudi-Arabien, Kuwait und Katar, aus denen Isis als sunnitische Front gegen die Schiiten finanziert wird.
Umgekehrt erscheinen Schurken plötzlich in freundlichem Licht: der schiitische Iran, eben noch Teilhaber der „Achse des Bösen“: der Amerika als „großen Satan” geißelte; und das Syrien Assads, gegen das die USA um ein Haar zu Felde gezogen wären. Nun duldet man Assad, weil er Isis bekämpft. Unterst zuoberst. Ein Kapitel amerikanischer Außenpolitik zuvor, in den 8oer Jahren, waren die USA übrigens noch ihrem späteren Feind Saddam im Krieg gegen den Iran heimlich beigesprungen.
Der Feind meines Feindes … Schon Josef Stalin hatte davon profitiert. Nach dem Sieg über die Nazis überließen die USA „Uncle Joe” ganz Mittel- und Osteuropa. Als sie das als Fehler erkannten und in den Kalten Krieg zogen, zeugte Antikommunismus eine Vielzahl perverser Bündnisse. Der Kongolese Patrice Lumumba wurde mithilfe des belgischen Geheimdienstes ermordet. Vergeblich hatte er in Washington um antikoloniale Hilfe gebeten. Auch den Kubaner Fidel Castro führte sein erster Staatsbesuch in die amerikanische Hauptstadt – dort aber blitzte er ab, man trieb ihn in die Arme der Sowjets.
In Vietnam traten die USA an die Stelle der besiegten Kolonialmacht Frankreich und machten die nationale Befreiungsbewegung endgültig zur sozialistischen, in der Not sogar verbündet mit dem historischen Feind China. In Südamerika wurden in der Ära Henry Kissingers blutige Gorilla-Diktaturen installiert. In Chile stürzten die USA den gewählten Präsidenten Salvador Allende. In Argentinien ließ der Militärdiktator Videla Oppositionelle gefesselt aus Flugzeugen ins Meer werfen. Bis heute wirkt der Kardinalfehler amerikanischer Außenpolitik in Afghanistan nach. Im Kampf gegen die sowjetische Besatzungsmacht wurden die islamistischen Gotteskrieger von den USA bewaffnet, unter anderem mit der Luftabwehr rakete Stinger. Damit feuerten die Taliban später auf amerikanische Flugzeuge. Und al-Qaida plante im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet den Terroranschlag vom 11.September 2001 auf die USA. Unterstützt wurden die Islamisten vom pakistanischen Militärgeheimdienst ISI, ursprünglich ein Instrument der USA. Überhaupt wurde die Aufrüstung Pakistans, das sich auch atomar bewaffnete, von den USA betrieben, denn es standgegen die einst mit der Sowjetunion befreundete Atommacht Indien.
Der Feind meines Feindes … Irgendwann ist die Welt voller Feinde, voller Opfer, voller Betrogener. Freunde aber lernen ihre Lektionen. Gerhard Schröder war der erste, der im Irak-Krieg den Gehorsam verweigerte. Das bleibt beispielhaft.
Hans-Ulrich Jörges, Chefredaktion stem 3.1.2014